SCHALENBERG Sven
Maler und wissenschaftlicher Zeichner

1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 | 30

 

Josef Rauscher (Univ. Mainz)


Sven Schalenberg "Milleniumsdust" – Ausstellung

(14.11.- 30.11. 2014) im Rah-men der 1250- Jahrfeier von Hahnheim –

Vortrag zur Ausstellungseröffnung im Gemeindehaus Hahnheim am 14.11.


 

Milleniumsdust – so heißt die Ausstellung

zu deren Eröffnung wir uns hier im Rathaus von Hahnheim eingefunden haben, Kunstinteressierte allesamt und nicht wenige doppelt motiviert, aus dem Interesse für Kunst zum einen und der Verbundenheit mit dem Ort Hahnheim und dessen Geschichte zum anderen.

 

Das Sujet sämtlicher der etwa 60 ausgestellten Kunstwerke des Hahnheimer Bürgers und Künstlers Sven Schalenberg

ist denn auch entweder unmittelbar – vornehmlich in den Gemälden - oder indirekt als materielle Grundlage und Fundament, als Träger der künstlerischen Idee, jenes signifikante, die Geschichte des Ortes über ein Jahrtausend hinweg begleitende Naturdenkmal des Angelbaums.

 

 

Es ist eine Eigentümlichkeit des künstlerischen Verfahrens von Sven Schalenberg,

dass er den materiellen Träger oft dezidiert und betont zum Bedeutungsträger zu machen sucht.

Der Träger wird selbst zum Sujet: in allen,

konzeptuell durch Begriffsdreiklänge

wie "SCHALEN BERGEN GEIST"

 

 

oder "KEIN JOTA ZUVIEL"

 

 

bestimmten Skulpturen ist der Angelbaum präsent,

das Material als unterschwelliges, indirektes Sujet mit-präsent,

wie auf den Ölbildern als unmittelbares, direktes Bild-Thema.

 

 

Kunst und Geschichte sind so im Angelbaum gefasst in einem Symbol, dem als Symbol Unvergänglichkeit eignet und das als organisches, endliches Leben zu Staub verfällt.

 

Die Effe, Ulme, der Angelbaum: zu Staub verfallend,

selbst, wenn der Baum ein Millenium lang zwischen Erde und Himmel vermittelnd,

das Leben des Orts, sein Geschick und seine Geschichte begleitete – was

Sven Schalenbergs großes, um den Angelbaum, die Effe am Dorfanger,

zentriertes Kunstprojekt "Angel-baum" weiterzutragen sucht.


Ich muß sagen, dass ich lange ein wenig Widerstand gegen den Ausstellungs-Titel "Milleniumsdust" empfunden habe. Ich fragte mich, wozu die Anglisierung gut sein soll und warum die Ausstellung nicht: "Jahrtausendstaub" oder, wenn schon latinisierend, nicht: "Milleniumspulver" heißt? Doch die Verfremdung in der Wendung von "Staub" zu "dust" und die sprachliche Verwandtschaftskette von "dust" (engl.), Dust (niederdt.), Dunst (hochdt.), die man weiterschreiben kann zu Hauch, Atem, auch Hauch der Geschichte,

sagte mir dann doch zu.

Wegen der sprachlich, semantisch und etymologisch, gedeckten Assoziation von "dust‘"und "Dunst" und dem damit an-gezeigten Zwischenstatus von nichtiger Leichtigkeit und Erdenschwere, Luft und Boden. Das sagte mir deshalb besonders zu, weil darin die unsichtbare Grenze, oder besser die Unsichtbarkeit der Grenze, die hauchdünne Membran zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit, Materialität und Idealität, fortschreitender Prozessualität und aufgipfelnder Monumentalität, auch die zwischen Wiederholung und Neuanfang, die für Kunst und Geschichte so bedeutsam ist, angezeigt wird.

Dieser Hauch des "Zwischen" findet in "dust/ Dust" ein besseres Bild als in Assoziationen etwa von Pulverdampf.

 

Die von mir gerade aufgezählten Antagonisten

Zeitlichkeit/ Ewigkeit, Materialität/ Idealität und Wiederholung/ Neuanfang

bestimmen in ihrem widerständigen Zusammenspiel die Differenz -

eine dimensionale, eine seinsmäßige Differenz - von Kunst und bloßem Gegenstand

auf der einen, und Geschichte und bloßem Zeitverlauf auf der anderen Seite.

Nun gilt das generell für Kunst und Geschichte. Sie müssen beide als solche erhoben werden, gehoben in die Dimension von Bedeutung.

Doch diese "Hebung" muß konkret vollzogen werden.

 

 

Die konkrete Ausstellung, hier und heute, buchstäblich zwischen Staub und Ewigkeitsidee changierend, lebt nicht nur von dieser Differenz, die unabweisbar heraus-fordert.

Doch sie thematisiert und umspielt diese Differenz von (vor-) gegebenem Gegenstand und Werk, so wie das Kunstwerk ästhetisch betrachtet immer als Zu-sammenspiel von Stoff und Form beschrieben werden könnte.

Sie thematisiert und exemplifiziert die Differenz von Material und Form, von Sinnlichkeit und Begriff als Differenz, verortet sie konkret und sinnlich. Sie macht einerseits die Materialität als solche, als besondere Vor-gabe, bewußt – fast so als hebe der Künstler nur Baumteile auf und poliere das Holz für die Ausstellung ein wenig - und reklamiert andererseits kühn Begrifflichkeiten, Konzepte, macht in der Beschriftung der Kunst gewordenen Natur-Objekte Ideenmomente geltend.

 

Die Ausstellung der Werke geht so gegenüber der Bewußtmachung der Materialität im Herausschälen und Bearbeiten der Baum-fragmente zugleich in die andere, die gegenläufige Richtung. Sie fordert mit Konzepten heraus und nähert sich von der ideellen Gegenseite her dem Ereignismoment Kunst.

 

Der Künstler bietet Möglichkeiten an, das Material zu lesen und demonstriert beispielhaft solche konzeptuelle Erfassung dessen, was im Material – hier im ganz konkreten, historisch und geographisch definierten Material, in der Effe, dem Angel-baum - steckt.

 

Mit seinen manchmal geradezu magisch beschwörenden Dreierworten

evoziert Sven Schalenberg solche Annäherung an das materiell Gegebene.

Doch dies ist nicht etwa losgelöste Etikettierung.

Den magischen Dreierformeln korrespondiert eine erschöpfende Arbeit am Material,

die manchmal bis zum mystisch gesuchten Erfolgserlebnis in der technischen Bearbeitung geht. "Jetzt ist es genug", sagt (sich) der erschöpfte Künstler,

wenn er vermeint zu vernehmen: "Jetzt ist es genug!".

Wer spricht?

Jedenfalls geht die Bearbeitung solange experimentell weiter,

bis das Material spricht,

von sich her der Idee,

die sich doch in diesem Fall andererseits nichts anderem verdankt als der Vorgabe des Materials, ent-spricht.

Das ist die erste Dialektik dieser Werke, der Angelbaumplastiken.

Der Künstler kann sich freilich nie sicher sein, ob der Gott, die Geschichte, das Mysterium der im Ding geborgenen Idee durch ihn zum Ausdruck kommt oder er nur, trotz aller Hingabe und Arbeit, ein letztlich ephemeres Etikett anheftet.

Die Riskiertheit des Künstlers, der sich für uns, die vorsichtigeren, etwas distanzierteren Zeit-Genossen riskiert und uns, dem Publikum, nicht zuletzt eine einfache Möglichkeit der Distanznahme offeriert, tritt deutlich hervor, wenn er uns zur Affirmation der Kunst einlädt.

Wir und vor allem Sie, die Einwohner der Gemeinde, haben uns hier im Rathaus von Hahnheim, gewissermaßen unter dem Schirm einer Effe, ihrer Ulme, versammelt,

die virtuell und konzeptuell dieses Ereignis und diesen Ort überkrönt.

Noch immer über-krönt, nachdem der konkrete Versammlungsbaum, der, - Ihr - "Angelbaum" schon längst verbrannt, gestürzt und fast schon zu Staub geworden ist.

Ich weiß freilich, dass das nicht ganz – zum Glück nicht ganz –stimmt.

Aber nicht nur, weil ein jeder übertreibt, wenn er, Ereignisse wiederholend, eine Geschichte erzählt - das sagt Aristoteles, mit Blick auf die Kunst als Dichtung -

aber nicht nur also, weil ich ein wenig übertreibe, stimmt das nicht ganz mit dem schon fast zu Staub zerfallenen Symbol-baum,

sondern weil dieser funktionalen – organischen und materiellen - Prozessualität des

"Zu-Staub-Verfallens" auf verschiedene Weise in der Kunst Einhalt geboten wurde und wird.

 

Ganz konkret.

Und gleichzeitig wird hier doch des Zu-Ende-Gehens, des zu Staub-verfallens gedacht.

Im Eingedenken des natürlichen zu Staub-verfallens und des technischen Pulverisierens beim künstlerischen Verarbeiten und Verwandeln des Baums in Kunst, wird dieses Verfallsmoment von Sven Schalenberg in einer Kunstgeste –

seinen Konservierungen des Effe-Staubs in Einmachgläsern: "Millenium-dust" - auf-gehoben.

Diese Geste – eine so vertraute Geste der modernen Konzeptkunst, dass man fast von Manierismus sprechen könnte -, thematisiert den Staub, d.h. dust, Dust, Dunst und damit den Hauch der unsichtbaren Berührungsgrenze von Idee und Material in der Kunst. Aufheben soll hierbei in dem von Hegel vor Augen gestellten und seither immer wieder benutzten und vernutzten dreifachen Sinn des bloßen Aufhebens vom Boden (a), des Bewahrens (b) und des negierenden Durchkreuzens c) verstanden sein.

Genau dies wird buchstäblich in Svens Angebot des in Gläsern gesammelten Staubs der Effe realisiert. Hier geht es nicht um die reine Vollzugs-Geste "Kunst",

die das Vermögen feiert, was auch immer, eingedost und topikalisiert als Kunst darbieten zu können.

Schalenbergs "Millenium Dust" in Gläsern ist über diese kunstgeschichtlich vertraute Kunstprovokation hinaus hoch motiviert: vom Arbeitsprozess der Kunstproduktion selbst her, von der Verfallsgeschichte alles Organischen und von der Geschichte des den Ort definierenden Monuments her.

Die Reduktion auf eine heute schon längst nicht mehr wirklich provokative Kunstgeste würde den Sinn- und Bedeutungsanspruch dieser Konzeptkunst verfehlen.

Aufgehoben vom Boden als Nebenprodukt der Verarbeitung des Angelbaums, aufgehoben und bewahrt in Gefäßen als Erinnerungsstück und Symbol und aufgehoben als Durchkreuzung der im Staub - zu dem alles Organische wird - angezeigten Endlichkeit in der Unendlichkeit der künstlerischen Geste.

Concept Art, welche durch das Material die Materialität ideell aufhebt.


Die Endlichkeit aufheben?

Nein, sie können sich kein Stück Unendlichkeit kaufen, das wäre zu lächerlich.

Aber, Sie können eine Kunstgeste, eine Geste der Unendlichkeit in der Endlichkeit vollziehen, und so der Idee der Geschichte, der Materialität und der seltsamen Bedeutsamkeit der Kunst Rechnung tragen –

dabei auch Ihres Orts in einer verwickelten, verwundenen, ver- und be-wundernden, historischen Bedeutungsgeste gedenken.

Der Mut, den die etwas riskante, in Gefahr der Lächerlichkeit stehende Kunstgeste,

wenn sie ein Glas wertloses Sägemehl für teueres Geld erstehen, verlangt,

der Mut zum Vollzug der Geste Kunst lohnt sich.

Bedeutung der Erinnerung ist die Belohnung.

Sie können das Objekt dann als störendes Requisit ihres Bücherschranks ein-setzen,

sie können den organischen Staub dem Wind opfern und in ihrem Garten verstreuen oder das Objekt vergraben;

wenn Sie einen Acker haben, können Sie den Effestaub vielleicht auch unterpflügen.

Doch sie bewegen sich damit, mit der Erinnerungsgeste, der Bedeutungsgeste in jedem Fall konstitutiv im Bereich der Kunst – der Konzept-Kunst.

Die Offerte des Milleniumsdust in Gläsern, die ein multiples Kunstwerk darstellen,

ist eine Einladung künstlerisch, konzeptuell und bewahrend tätig zu werden.

 

Jetzt bin ich schon beim Schluß angelangt, an dem alles zu Staub und Kunst und Symbol und Geschichte wird - und dies als Kunst-Multiple - als Endlich-keitsbedeutung in Gläsern - gewinnbar und handhabbar wird.

Dabei wollte ich natürlich am Anfang anfangen und mit dem Staub, der am Ende steht, endigen. Also gut, ich hole den Anfang nach, hole ihn ein, fange nochmal an –

eine Wiederholung! –

Keine Angst, das ist eine Übertreibung und Sie wissen ja nun, wo das endet, mit dieser Kunstausstellung, in diesem geschichtssatten Augenblick – 1250 Jahre – an diesem Ort: Hahnheim.


 

Da geht also dieser Sven Schalenberg, mein Freund, ihr Gemeindemitglied, Mitbewohner, der Künstler – (ein als Bildhauer und Konzeptkünstler hier herausfordernd fremdgehender Maler) – daran,

ausgerechnet mittels des nichtigen Staubs, an die Wirkmächtigkeit der Natur, der Geschichte und der Kunst zu erinnern.

Sie, das Publikum, zu versammeln hin auf das, was Heidegger in seinem Kunstwerkaufsatz das Wahrheitsgeschehen im Kunstwerk nennt.

Geschehen als Stiften von Geschichte. Das ist eine Gratwanderung, ein Grenzgang.


Bevor die Ausstellung zu dem multiplen Kunstwerk: "Millenium Dust (in Gläsern)‘ als konzeptuellem Schlußpunkt der Auseinandersetzung mit Geschichte, Ort und Bedeutung, fokussiert im Denk-mal Angelbaum, kommt, lenkt die Führungslinie der gemalten Bilder des symbolträchtigen Baums und seiner dramatischen Geschichte hin zu dem konzeptuellen Kern.

 

 

Begibt man sich in die Höhen der Ausstellung im Oberge-schoß so lassen sich in konkreter Aufstiegsbewegung die Bilder, die eindrucksvoll die Geschichte des Angelbaums gerade in den dramatischen Schlußakzenten erzählen, als Wegweiser zu Skulpturenpark und Konzeptkunst nutzen.

 

 

In dieser Gratwanderung – nur im buchstäblichen Sinn ist "Gratwanderung" angesichts des Obergeschoßes eine erzählerische Übertreibung, im übertragenen Sinn balancieren wir von dem Sujet der Mal-Kunst auf schmalem Grat zum konzeptuell und ästhetisch aufbereitetem Angel-baumkörper und zum Staub

als Residuum von Kunst und Geschichte –

in unserer geistigen Gratwanderung also, gelangen wir dann dorthin, wo wir anfangs schon waren. Wir bemerken, dass in gewissem Sinn als Grenzstein das Herz des Ganzen schon im Überschreiten der Schwelle, beim Eintritt in den zum Kunstraum gewordenen Ver-sammlungsort des Rathauses erreicht war.

Im Außenraum der Ausstellung, oder besser an der Schwelle, war jenes innerste Innenmoment nicht nur angezeigt, es war schon realisiert.


 

Als Zeichen dafür soll mir die Eingangsskulptur in zwei aufeinander bezogenen Teilen dienen, diese monumentale Holzplastik, bei der dem Werk:

"Zeige Deine Wunde",

das andere Werk „Heilen, Helfet, Heilig“ antwortet .

 

Herausgearbeitet sind beide Monumentalplastiken aus der Effe, dem Angelbaum,

und sie markieren den Versammlungspunkt Hahnheims, fast ein wenig wie der alte Baum. Der Baum selbst ist so aus der Zeit und dem Raum herausgenommen und stiftet doch, leicht paradox, so den ideellen Ort.

 

Wie eben die Kunst, indem sie ihren Gegenstand aus der Zeit nimmt –

dies ist der immer schon und immer wieder, nicht erst mit Arthur Schopenhauer, der dies theoretisch propagierte, gefühlte Ewigkeitsanspruch der Kunst -

die Zeit als bedeutungsvolle, als Wahrheitsgeschehen, in Szene setzt.

 

Das benannte Denkmal stellt den Raum bereit für die Ausstellung, eröffnet die Ausstellung und ist doch im eigent-lichsten Sinn Grenze der Ausstellung. Die Doppel-Skulptur gehört wesentlich zu der Ausstellung und steht doch außerhalb.

Denn sie steht noch und besteht, wenn die Ausstellung, die aus dem Geist dieser monumentalen Werke zu begreifen ist, schon Vergangenheit sein wird

(bis 30.11. läuft die Ausstellung).

Diese beiden, die Ausstellung begleitenden und übersteigenden Werke gelangen mit einer der in ihrer sinnlich ästhetischen Präsenz beeindruckendsten Großplastiken der jetzigen Ausstellung: "SCHALEN BERGEN GEIST", zu einem magischen Dreiklang.

 

 

"SCHALEN BERGEN GEIST", buchstäblich zwischen den beiden Werken verspannt, steht seinerseits darüber hinaus in einem lockeren konzeptuellen und ästhetischen Dialog mit dem in dieser Aus-stellung erstmals präsentierten Werk "SEHSAM ÖFFNE DICH!".

 

 

Mit Schalen und Geist wird nicht nur das antagonistische Paar:

Geist/ Idee – Materie/ Gegenstand

in Erinnerung gerufen,

sondern konzeptuell auch die Korrelation von "Innen" und "Außen".

 

Das Kunstwerk ist denn auch von zwei Seiten "lesbar".

 

Dabei fesselt die Materialität in ihrer ästhetischen Kraft unmittelbar

und wurde doch erst durch die künstlerische Be-arbeitung als bannende Kraft,

zugleich in Beschlag nehmend und distanzierend, frei-gesetzt.

Die in der Bearbeitung zur Haut des Baumes gesteigerte Holzplastik,

mit ihren Einkerbungen, Verknotungen, Auswüchsen und Einschnitten

wird durch die – gewissermaßen dienende – künstlerische Bearbeitung

zu einer natürlichen Schönheit – ich riskiere das im Grunde unsägliche Wort: - "aufpoliert", zu einer Schönheit des be-wahrten Vegetabilen im toten Stück Holz,

zu einer Schönheit, die alle Mühsal der unendlichen Arbeit, die darin steckt, vergessen läßt.

 

Mir scheint dies eine perfekte Illustrierung zu sein

des berühmten Ausspruchs von Albrecht Dürer:

„Die Kunst steckt in der Natur – wer sie heraus kann reißen, der hat sie“ –

die Kunst natürlich.

Arbeitete Sven Schalenberg schon seit langer Zeit so,

dass in vielen seiner Gemälde der Bildträger selbst,

eine Holztafel oder ein Skateboard etwa,

in der Bearbeitung zum Be-deutungsträger wurde,

Sven arbeitete sich so künstlerisch in das Material auf dem er malte, hinein,

so kann man bei diesen Angelbaum-Skulpturen davon sprechen,

dass er aus dem Material heraus arbeitet.

Er arbeitet, bis das Material, das ja zugleich der Inhalt ist, bis das Holzstück als Idee von sich her spricht.

Das wiederum sucht Sven in seinen begleitenden begrifflichen Wortdreiklängen einzufangen.

Ich will nun nicht weitere der plastischen Kunstwerke im Einzelnen ansprechen.

In vielfältigster Form und in unterschiedlich stark eingreifenden technischen Bearbei-tungen, die gleichwohl immer dem Anspruch und der Ansprache des Materials sich unterordnen, stellt Sven Schalenberg die Werke in ihrem Hervorgang aus dem Material vor Augen und gibt ihnen mit dem Begleittext dreier gewichtiger Worte,

zumeist in den Werk-Korpus selbst eingeschrieben,

eine konzeptuelle Perspektive.

Vielleicht mag solche Lenkung manche Puristen eher verstören und nicht alle Dreiergruppen entfalten im Zusammenspiel mit dem dargebotenen Werkstück dieselbe Kraft. Doch Sven steigert so die Herausforderung, die Kunst als sinnliches Ereignis

an uns denkerisch stellt.

Das Konzept der drei Worte bietet, meine wenigstens ich, keinesfalls die "richtige‘" Deutung für ein Objekt. Es leistet etwas Anderes, Bedeutsameres. Angesprochen ist das Wechselspiel zwischen Sinneserfahrung und Begriff

und Sven nimmt das Risiko des Künstlers auf sich,

diese Nahtstelle des spontanen Denkens in Begriffen und des – manchmal durchaus lustvollen - Erleidens der sinnlichen Wahrnehmung offenzulegen.

Das ist Angebot und Herausforderung.

Riskiertheit und Möglichkeits-raum der Kunst.

Die Dialektik von Material und Idee wird transfiguriert und zum Dia-log-angebot transferiert.

 


Lassen Sie sich also zunächst ein auf die Materialität und das Hervortreten des magisch fesselnden Materials in seiner durch die Bearbeitung herausgehobenen ästhetischen Wirksamkeit. Das scheint mir relativ leicht, wie es eben ein Leichtes ist, sich vom sinnlichen Formenspiel der Natur-Gegenstände als Faszinosum einfangen zu lassen. Damit lassen sie sich bereits - auch wenn dies nicht ganz so leicht ist - ein Stück weit ein auf die künstlerische Formgebung, die so nahe am materiellen Objekt

eine Vielfalt der signifikanten Formen aufscheinen läßt.

Doch lassen sie sich darüber hinaus als Drittes auch noch ein auf die Arbeit am Begriff,

die konzeptuelle Herausforderung, die Ihnen in der hier gebotenen Kunst als Konzeptkunst gegenübertritt. Das leuchtet in den "Drei-Worte-Formeln" auf

und findet seinen Schlußpunkt im Multiple des "Millenium Dust".

Den direkten Transfer zur rein konzeptuellen Kunst hatte ich einleitend angesprochen – der Staub geboten als Staub und als Überbleibsel der Kunst und der Geschichte.

Aus der künstlerischen Arbeit mit dem Holz und am Baum und der natürlichen Arbeit der Zeit schält sich heraus: Bedeutung und Geschichte.
Sowohl in der Malerei, der Bildhauerei wie der Konzeptkunst hebt Sven Schalenberg, beinahe hätte ich gesagt in 1000 Facetten – nein es sind zwar ca. 60 Objekte aber un-endlich viele Facetten und es sind Facetten der Unendlichkeit – die Bedeutung der Geschichte am sinnlichen Objekt ins Bewußtsein.

So arbeitet er auch die Rolle der durch Wieder-holung gesicherten Symbol-Bedeutung für die Geschichte heraus.

Er holt wieder hervor, was im Material ruht.

Und er holt hervor, was als Ewigkeitsmoment in der Zeit ruht.

Er holt hervor und erarbeitet, was an begrifflicher Bedeutung sich im geformten Material wieder-entdecken läßt.


Doch wir alle, Sie und ich, sind Im Ereignis- oder Seinsraum der Kunst als Rezipienten eingefordert und herausgefordert.

In seiner emphatischen Art spricht Heidegger davon, dass, wenn ein Kunstwerk die Bewahrenden nicht findet, es gar nicht stattfindet. Die Geste der Kunst ist eine der affirmativen Wiederholung, die paradox Neues setzt.

Das gilt zunächst für den Künstler, in diesem Fall Sven Schalenberg,

der diesen konkreten Baum, den Angelbaum, nicht nur als Material nutzt,

sondern auch als Symbol und Wert neu hereinholt,

in besonderer Form wieder hereinholt in die Geschichte Hahnheims,

hereinholt in jenen Bedeutungsraum, den der Baum immer schon hatte.

Der Künstler ist, meine ich, primär als ein besonders Empfänglicher zu verstehen,

der es wagt, dem Aufgenommenen Ausdruck zu verleihen.

 

Die Herausforderung der affirmativen Wiederholung, die ein Neues setzt, gilt aber auch für das Publikum, die Rezipienten.

Der Künstler kann nie einfordern, dass seine Kunst affirmiert wird,

doch er kann erwarten, dass wir uns empfänglich machen für die Möglichkeit des Ereignisses Kunst.

Dass wir uns mit ihm vielleicht dann in einer Begeisterungsgemeinschaft finden hinsichtlich dessen, was sich im Werk sagt, dass wir uns ähnlich dem Künstler riskieren, kann er nur hoffen.


Ich persönlich meine, dass sich, zumindest in einigen Werken des Angelbaum-Projekts – in wahrscheinlich je unterschiedlichen Werken für die jeweiligen Betrachter -

das Wagnis des Sich-Einlassens auf Kunst

und des Sich-Betreffen-Lassens von Geschichte außerordentlich lohnt.

 

Und es ist eine wunderbare Geste, es ist weit mehr als ein Gag,

dass Sven Schalenberg dazu auffordert, auch jenseits des möglichen Erwerbs eines versiegelten Glases "Millenium Dust" die Bedeutungs-Geste, die Erinnerungsgeste mit dem "aufgehobenen" Staub der Effe, dem Holzmehl des Angelbaums, zu vollziehen. Kostenlos kostbar.

Es verlangt vielleicht ein wenig Mut so ungeschützt, so lächerlich fast,

bedeutungssetzend zu operieren.

Doch es ist dies derselbe Mut, der dazu nötig ist, einer leeren, weißen Fläche mit einem ersten Pinselstrich oder einer Feder zeichenhaft Bedeutung einzuschreiben.

Doch ob nun mittels des kunst- und geschichts-trächtigen Staubs

oder vermittels des Dialogs mit den und über die Kunstwerke,

gehen Sie das Wagnis ein,

als Rezipient konstitutiv zu sein!

 

Die Ausstel-lung lädt dazu ein.

 

 

 

 

 

 

Inhalt folgt ...

Objekte 11

Holzobjekte aus dem Sitzungszimmer des Hahnheimer Rathauses

 

 

 

und die Einführungsrede von Prof. Josef Rauscher,

von der er im freien Vortrag auch immer wieder abgewichen war.

 

 

  Aktuell

  Katalog

  Service


  Kontakt

Kontakt  Cover

 

 

 

 

 

 

© Sven Schalenberg 2007