SCHALENBERG Sven
Maler und wissenschaftlicher Zeichner
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Schalenbergs Rede
zur Eröffnung des Kunst am Bau - Projektes
im neuen Rathaus in Hahnheim _Der Angelbaum:
„ZEIGE DEINE WUNDE“ „HEILEN HELFET HEILIG“
Als Jesus Christus, wie man uns berichtet,
einst aus dem Grabe auferstanden sein soll,
kam einer seiner Jünger, nämlich der heute so genannte „ungläubige
Thomas“,
und bremste nüchtern den Elan, schlicht euphorisch zu Glauben .
Erst wenn er mit seinen Händen die Wunden greifen kann, will er überzeugt
sein.
Thomas sucht die materielle Realität hinter Jesus Auferstehung.
Später zeigt sich ihm Jesus und bietet die Wunden zum Anfassen dar,
was dann dem Thomas bereits genügt.
Daraus entwickelte sich der kunstgeschichtliche Topos:
"ZEIGE DEINE WUNDE".
Erwähnt sei hier nur der grandiose Maler Carravaggio ,
oder Josef Beuys mit seiner spektakulären Installation in München.
Auch in meiner vorherigen Malerei, ebenfalls auf Holzrudimenten,
war das Thema: „Zeige Deine Wunde“ bereits vielfach präsent.
Der tausendjährige Angelbaum von Hahnheim,
schon in 19. Jahrhundert geschütztes Naturdenkmal,
musste 1999 gefällt werden.
Dann lag der Rest offen in der Wiese vor dem Friedhof und ging immer mehr
in diese ein.
Trotz dem Verfall, bewahrten die Stücke noch ihre Aura und Würde.
Unser Holz hier, nur etwa halb so alt, wie die Geschichte von Jesus,
zeigt auch seine Wunde.
Auch dieser Baum war bereits zu Grabe gelegt worden
und steht nun wieder,
nachdem einige Prozesse des Konservierens, also des Heilens darüber
gegangen sind.
Weiterhin darf und soll er seine Wunde zeigen.
Aber auch wir, so muntert uns der vergoldete Spruch auf, sollen unsere Wunden zeigen dürfen.
Bei jedem Kind ist es das erste, möglichst Allen seine Verletzung
zu zeigen.
Schon Klagen und Jammern zu dürfen, kann hilfreich sein und ist heilsam.
Bewahren, Pflegen und Heilen sind Anforderungen nicht nur an die Mediziner,
sondern gelten Jedermann.
Und Jedermann wird durch seine Hilfe, die er gibt, letztendlich auch ein
wenig heilig.
Bedarf dazu finden wir an allen Ecken der Gesellschaft.
So wird der religiöse Aspekt schnell schon zum säkular Sozialen.
Aber auch der ökologische Aufruf zur Bewahrung der Umwelt
läßt sich von diesem Fürsprecher der Natur ablesen.
Als Zeugnis von einstiger Größe steht er für die beanspruchte
Natur,
für Boden und für Heimat.
Damit sind wir dann schließlich auch im historischen Aspekt.
Vieles von dem, was dieser Baum erlebt hat ist Innen und Aussen ablesbar.
Kletternde Kinder, Einritzungen, Nägel, Granatsplitter, Betonguß
und Efeubewuchs haben Spuren hinterlassen und erzählen von der Vergangenheit.
Der Respekt vor dem historischen Werkstück machte mir sehr schnell
klar,
daß ich der gewachsenen Struktur größtmöglichen Spielraum
geben mußte.
Um eine eigene künstlerische Note hinzuzubringen, kamen die vergoldeten
Lettern hinzu.
So war es möglich, formell zurückhaltend und doch inhaltlich prägend,
dem Ganzen Sinn und Titel zu geben.
Formal unterschiedlich steigern die Beiden sich, wie in gegenseitiger Kommunikation.
Auch die Beschriftungen ergänzen sich so, daß das Paar eher ein
Gesamtwerk bildet.
Der eher männlich wirkende Teil ist höher und schulterbetont.
Das eher weiblich wirkende Stück ist vielleicht hüftbetont, beschützend
und bergend.
Ebenso wie das männliche Klagen „ZEIGE DEINE WUNDE“, ist
dieses weibliche Trösten "HEILEN HELFET HEILIG" dann ein
Aufruf zum Handeln und Reagieren.
"ZEIGE DEINE WUNDE" "HEILEN HELFET HEILIG"
Das sind zwei Imperative, zwei Aufforderungen zum Handeln.
Neben der faszinierenden, gewachsenen Form im Holz
lassen sich eben auch ernste Aspekte wie Verletzung und Heilung,
bis hin zu Tod und eventueller Auferstehung,
aber natürlich auch blos die unendlichen Kurven der Geschichte
vielfältig meditieren
an der Maserung der beiden Seiten des "Angelbaumes".
Hahnheim, 8.9.2008