SCHALENBERG Sven
Maler und wissenschaftlicher Zeichner
Sven Schalenberg zur Ausstellung: „Gebaute Welten“
Der Architekturfotograph „Detlef Böhmer“
Im Landesmuseum Rheinland-Pfalz, Koblenz – Ehrenbreitstein, am 12.
April 2014
Sehr geehrte Damen und Herren!
„Gebaute Welten“
Detlef Böhmer baut keine Häuser.
Die Welten, die er uns zeigt, sind nur flache Abbildungen der vorgefundenen
Wirklichkeit.
Sie sind nur aufgenommene Spuren flüchtiger Licht und Schatten-Wirkungen,
meist noch reduziert um die Farbe.
„Gebaute Welten“ bilden aber sein Motiv und wer weiß,
wie Böhmer seine Bilder konstruiert, also mit Plan zusammenbaut, der
wird dem Titel der Ausstellung
doppelt zustimmen.
Er baut Photographien ähnlich, wie der Maler Bildflächen einteilt.
Sehr gut erinnere ich mich an die intensive Künstlerfreundschaft von
meinem
Malerei-Professor Klaus Jürgen-Fischer mit dem Fotografen Robert Häusser.
Öfter habe ich erlebt, wie diese beiden Persönlichkeiten in gegenseitiger
Achtung zusammen saßen und sich selbstverständlich über
Kunst und Gestaltung austauschten.
Beide hatten genug Erfahrung, um neue Wege mit markanter Handschrift zu
verbinden.
Sie verstanden sich intensiv, gerade weil ihre Ansichten von Qualität
in der Kunst die Gleichen waren. Spartenübergreifend teilten sie ihr
Urteil und verstanden sich.
Den Anblick dieser Vertrautheit durfte ich schauen, schauen, ohne ein Bild
zu machen.
Das erste, was ich aber von meinem Professor gelernt habe war,
daß wir gemessen werden an Allem, was in der gesamten Kunstgeschichte
jemals da war.
Alles hat Relevanz, um meine, nun vorgeblich neue Kunst zu prüfen.
Und solches berücksichtige ich am ehesten besten
schon bevor ich es wage überhaupt anzufangen.
Eigentlich habe ich besser zu sein, oder noch zu werden als der Professor.
Eigentlich habe ich sogar besser zu sein, als Schongauer, Dürer, Caravaggio
und Rembrandt, und alle die Großen.
Aber überfordert eine so wahnsinnige Belastung nicht?
Müssen wir dann nicht eher den Pinsel liegen lassen
und uns eine Dauerkarte zum Museum kaufen?
Nun, wer wagt den Streich?
Wer getraut sich, so vermessen zu sein, nochmal eins draufzusetzen?
Das zu überwindende breite Wissen des Professors ist dabei auch nur
Ausschnitt
der gigantischen globalen Jury, die man nicht betrügen kann.
Die Folgerung ist dann, daß ich mich stets in Kunstgeschichte weiter
zu bilden habe.
Das hört nie auf, da das Feld unermesslich ist und so auch immer bleibt.
Nach dieser ersten Lektion haben dann auch bald einige Kommilitonen resigniert
aufgesteckt. Sie sahen absolut keinen Platz mehr für Sich in der großen
Historie.
Gut so!
Gut so, denn es reduziert die Masse an unnötig Vorgelegtem.
Ohne den Freunden übel zu wollen, so bleibt die Kunstwelt schlanker.
Ihr Ansatz war eben eitel.
Es gibt aber nichts Inspirierenderes als große Kunst!
Wenn man dies nämlich begreift, sachlich, ohne das Selbst hervorheben
zu müssen,
wandert der begeisterte Blick von selbst wieder zur Sache, und logisch:
ganz nach oben.
Wir schauen erst mal bescheiden auf! Auf! Auf! Nach oben!
Nachrangiges weckt weniger Interesse!
Die bedeutendsten Vorgaben, die größten Künstler und die
höchsten Werke werden dann anerkennend studiert.
Wenn einem danach nichts mehr einfällt, so ist die dann folgende Stille auch gut.
Kommen aber daraus neue Ideen, so befindet man sich stringent in der Linie der aufeinanderfolgenden Großtaten der Kunstgeschichte und man braucht sich nicht zu verstecken, sondern soll seine neue Antwort getrost auch selbstbewußt zu Markte tragen.
Es gelte also stets höchster Anspruch!
So schaut auch Detlef Böhmer immer nur nach dem Besten.
„Das ist ein Muß!“, sagt er mit Bestimmtheit.
Auch er hat sich lange die besten Fotografen angeschaut.
Das Verbindende ist also auch hier die höchste Qualität,
unter deren Urteil sich der Künstler begibt.
Er setzt dabei hohe Maßstäbe an die konzeptionelle und formale
Klarheit seiner Arbeiten.
Böhmer schaut stets nach oben!
Ganz nach oben!
Und wenn da irgendetwas nicht ganz stimmt, dann drückt er auch gar
nicht erst ab!
Er weiß genau: Das, was er uns vorlegt, wird gemessen an den klassischen
Foto-Helden des Schwarz-Weiß, an Ansel Adams, an Feininger und Sheeler,
an Seidenstuecker, Toni Schneiders, Otto Steinert und auch Robert Häusser.
Einige hier werden diese Namen kennen, aber wir können jetzt nicht
die ganze Fotografiegeschichte aufrollen.
Sie sitzen ihm aber alle Alle im Nacken!
Eben habe ich fälschlich gesagt: Er drückt dann nicht ab. Nein:
Nicht Abdrücken!
Er gibt den Auslöser frei!
Er gibt den Auslöser frei, dann,
und erst dann, wenn er spürt, all die Altvorderen ziehen noch im Jenseits
den Hut vor dem, der vorher auf ihren Schultern respektvoll studieren durfte.
Er bereitet sich also intensiv vor.
Böhmer macht gezielt wenige Aufnahmen.
Und die sitzen!
Das Maß aller Dinge und auch das Maß für den Fotografen
Böhmer
ist also die gesamte Kunstgeschichte!
Und: Detlef Böhmer bewährt sich immer wieder! Hier ist die Prüfung bestanden!
Der hohe Anspruch des beruflichen Kartographen an die konzeptionelle und
formale Klarheit der Architekturfotografie entstand Anfang der 90iger Jahre
mit konservativer Technik und dem klassischen „Schwarz-Weiß“.
Man sieht ihn so auch die Großformatplattenkamera durch das Gelände
tragen.
Er schätzt den Wert der bewährten Geräte – arbeitet
auf Platte im scharfen Großformat und nimmt seine eigene Entwicklung
auch lange in der eigenen Dunkelkammer vor.
Zuerst studiert er autodidaktisch an den historischen Vorbildern in Büchern.
Dann setzt er dies um und zeigt, wie gründlich er mal wieder war.
Seine ihm eigene Genauigkeit passt eben auch zu den präzisen Instrumenten.
Die Kamera hat er nicht nur im Griff – er lotet ihre Grenzen aus.
Aber bald wird klar: Er sublimiert auch noch sein Medium,
denn scheinbar geht es ihm gar nicht mehr allein um Fotografie – es
geht ihm um Komposition!
Die Form wird wichtiger, als das Mittel!
Formell sind ihm ganz abstrakte Bildqualitäten wichtig.
Zweidimensionale Bildkriterien reduzieren die Welt zum autarken Bild.
Gewichtsverteilung und Schwerkräfte werden zu grafischen Kompositionen
für das Auge. Sein gesteuerter Einsatz der Kontraste und der Linienführung,
werden am Gegenstand Architektur vorgeführt und so nur inszeniert.
Die Relation der Bildformate, die Beziehungen der Massen, die Summe Organisches
plus Kubistisches, die Verhältnisse der Baukörper und die Spannung
zur großen Raumordnung werden bei ihm in eine zeitlose Zeitdokumentation
gebracht.
Ausbalanciert, streng, oft kühl, werden fremde Bauten und Fassaden
neu in Szene gesetzt.
Sein exakt geplantes Vorgehen führt dabei zu nur wenigen gezielten
Aufnahmen.
Geduldig kann er oft lange auf den richtigen Stand der Sonne warten.
Tagelang sucht er die gleiche Position auf, nur um die richtige Wolke zu
erwarten,
die ihm schon vorher vorschwebte.
Der Regisseur kann warten.
Das ist schon große Oper!
Die 1989 bis 1994 entstandene Fotoreihe „New York“ bezog moderne
und klassische Themen ein. Das jeden faszinierende N.Y. nimmt er auf, ohne
nochmal in die Kerben der Altvorderen zu schlagen.
Noch klarer, noch geometrischer wirken seine Fassaden,
die schon nicht mehr nur City sind, sondern Struktur und Ornament an sich.
Charles Sheeler gab mit seinen Industrieweltwelten den Einstieg
zu solcher großen Inszenierung.
Andreas Feininger zeigte immer noch das urbane Motiv, das heute schon von
der Arztpraxis bis zum Jugendzimmer als Poster beliebt ist.
Böhmer transzendiert hingegen das Motiv Stadt durch eine verstörende
Künstlichkeit, die absolut den abstrakten Kriterien der Fläche
gehorcht und doch so real ist, dass wir uns wundern, dass wir das so noch
nicht gesehen haben.
Klare, harte Lichter führen zu einer Choreografie der mit Schatten
gezeichneten Stadt
aus dem grafischen Spannungsfeld zwischen den Kontrasten.
1996 in Florenz und 2002 in Rom hielt er markant
die italienische Baukunst der Renaissance lichtbildlich fest.
Seit 1997 ist Paris immer wieder künstlerisches Betätigungsfeld.
Eindrückliches Projekt 2007 waren die DDR-Repräsentativbauten
der Karl-Marx-Allee in Berlin.
Arbeitsschwerpunkt in 2009 war die futuristische Retortenstadt Almere, Niederlande.
Gezielt konzentriert er sich dann auf verschiedene Architekten und deren
Bauweise.
Er reist zum Bahnhof in Liège-Guillemins des Architekten Santiago
Calatrava.
Auch der Richard-Meier-Bau in Rolandseck, war ihm fotografische Auseinandersetzung
mit dem Architekten des Arp-Museum.
Seit 2010 setzte er sich intensiv mit dem Architekten Tadao Andõ
auseinander,
welcher ihm, mit seiner Arbeitsweise, ganz besonders liegt,
da dieser den Raum mit Sichtbeton, Wasser, Licht und Reflektionen,
ihm sehr geistverwandt gestaltet hat.
Nach seiner letzten Ausstellung im Steinskulpturenmuseum Kubach-Wilmsen,
hört Böhmer wie Ando eine simple Mauer in die Weinberge von Burgund
gesetzt hat,
und macht sich auf den Weg dahin.
Und doch: Bei allen großen Architekten, die er nochmal zitierend
darstellt, bleibt doch die persönliche fotografische Handschrift des
Fotokünstlers Detlef Böhmer sichtbar.
Ja, gerade das zeichnet ihn aus, daß er immer wieder auch persönlich
erkennbar ist,
daß das Selbst dann schließlich eine markante Rolle gewinnt,
welche anfangs ja gar nicht der Grund des Schaffens war.
Große Oper – oder großes Kino,
ein Maler und ein Fotograph verstehen sich,
weil sie sofort sehen, was auch dem Anderen die Qualität
am Rande der Geschichte bedeutet.
Die Bereitschaft, sich bescheiden unterzuordnen,
und doch neue Antworten zu finden,
gehören von selbst dazu.
Wir sind hier dankbar auch für diese Künstlerfreundschaft.
Danke!
Sven Schalenberg zur Ausstellung: „Gebaute Welten“
Der Architekturfotograph „Detlef Böhmer“
Im Landesmuseum Rheinland-Pfalz, Koblenz – Ehrenbreitstein, am 12.
April 2014
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